Neustart für Deutschland: Der Kompass für einen modernen Staat

Unser Land steht an einem Wendepunkt. Angesichts globaler Krisen, des demografischen Wandels und einer schleppenden Digitalisierung schwindet das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit unseres Staates. Marode Infrastruktur, verhakte Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern und eine ausufernde Bürokratie lähmen Wirtschaft und Gesellschaft. Das Gefühl, dass es so nicht weitergehen kann, ist weit verbreitet.
Doch es gibt einen konkreten Plan für den Aufbruch. Die überparteiliche „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“, angeführt von Julia Jäkel, Thomas de Maizière, Peer Steinbrück und Andreas Voßkuhle, hat nach monatelanger Arbeit mit über 50 Experten einen umfassenden Abschlussbericht vorgelegt. Dieses Dokument ist mehr als nur eine weitere Analyse – es ist ein praktischer Reformkompass, der den Weg zu einem effizienteren, moderneren und bürgernäheren Deutschland weist.
Erfreulicherweise hat die neue Bundesregierung viele dieser Vorschläge in ihrem Koalitionsvertrag aufgegriffen – eine einmalige Chance, die wir jetzt ergreifen müssen.
Ein schlanker und schlagkräftiger Staat: Bessere Gesetze und weniger Bürokratie
Ein Kernproblem unserer heutigen Blockaden sind überkomplexe und praxisferne Gesetze. Die Initiative schlägt daher eine grundlegende Reform des Gesetzgebungsverfahrens vor.
- Gründlichkeit vor Schnelligkeit: Zukünftig soll am Anfang eines Gesetzes ein „offener“ Referentenentwurf stehen, der eine breite Diskussion ermöglicht, bevor er zwischen den Ministerien abgestimmt wird. Ausreichende Fristen für Stellungnahmen sollen wieder die Regel und nicht die Ausnahme sein.
- Praxistests und Verständlichkeit: Jeder Gesetzentwurf soll einem Praxistauglichkeitstest unterzogen werden, und zwar während der Erarbeitung und nicht erst danach. Visualisierungen von Prozessabläufen sollen komplizierte Sachverhalte für alle verständlich machen.
- Weniger Bürokratie, mehr Innovation: Der Erfüllungsaufwand für Gesetze, der die Wirtschaft laut Industrieverband jährlich rund 65 Milliarden Euro kostet, soll drastisch minimiert werden. Gesetze sollen zudem standardmäßig „Experimentierklauseln“ enthalten, die es ermöglichen, neue Ansätze in der Praxis zu erproben, ohne sofort eine bundesweite Regel zu schaffen.
Digitalisierung und Verwaltungsreform: Das neue Betriebssystem für Deutschland
Deutschland hinkt bei der Digitalisierung des Staates weit hinterher, was zu enormem Frust bei Bürgern und zu volkswirtschaftlichen Schäden führt. Der Bericht fordert hier eine Revolution statt kleiner Korrekturen.
- Klare Verantwortung: Die bereits erfolgte Gründung eines Ministeriums für Digitales & Verwaltung war eine zentrale Empfehlung. Es soll die gesamte IT der Bundesregierung verantworten, Standards vorgeben und über ein zentrales Digitalbudget verfügen, um Insellösungen zu beenden.
- Neue Kultur in den Behörden: Die Verwaltung braucht eine neue Personal- und Führungskultur, die Mut, Verantwortungsübernahme und Lösungsorientierung belohnt. Starre Laufbahnregeln sollen für externe Experten und Quereinsteiger geöffnet werden, um dringend benötigtes IT- und Management-Know-how in den Staat zu holen.
- Bürgernahe digitale Dienste: Anstatt dass jede Kommune das Rad neu erfindet, soll der Bund zentrale digitale Lösungen für Standardaufgaben wie die Kfz-Zulassung, das Meldewesen oder das Wohngeld bereitstellen. Das schafft Freiräume für die Beratung vor Ort.
Klare Verhältnisse: Den Föderalismus entwirren
Das komplizierte und verhedderte System zwischen Bund, Ländern und Kommunen ist ein Symbol der deutschen Reformunfähigkeit. Wer für welche Aufgabe zuständig ist und wer sie bezahlt, ist oft unklar.
- Aufgaben und Finanzen klar zuordnen: Die Initiative fordert, die „Mischfinanzierung“, bei der Bund, Länder und Kommunen gemeinsam Aufgaben finanzieren, zu begrenzen. Das Prinzip muss lauten: Wer eine Aufgabe bestellt, muss sie auch vollständig bezahlen. Dies stärkt die Eigenverantwortung und die Handlungsfähigkeit der Kommunen.
- Länder sollen gemeinsam handeln können: Um bundeseinheitliche Regelungen in Länderzuständigkeiten (z.B. im Bildungswesen) zu ermöglichen, ohne den umständlichen Weg über Staatsverträge gehen zu müssen, soll der Bundesrat die Befugnis erhalten, für alle Länder rechtsverbindliche Beschlüsse zu fassen.
Wettbewerbsfähigkeit stärken: Freiräume für Innovation und Wachstum
Deutschlands Wirtschaftsmodell steht unter Druck. Um im globalen Wettbewerb zu bestehen, müssen wir schneller und innovativer werden.
- Investitionen entfesseln: Das Planungs- und Vergaberecht wird als zentraler Hemmschuh identifiziert. Die Vergabe öffentlicher Aufträge soll vereinfacht, digitalisiert und die Schwellenwerte für Direktvergaben deutlich angehoben werden. Für große Infrastrukturvorhaben sollen zentrale, spezialisierte Center auf Landesebene geschaffen werden.
- Forschung muss ankommen: Deutschland ist stark in der Forschung, aber schwach darin, Erfindungen wirtschaftlich zu nutzen. Die bürokratischen und steuerlichen Hürden für Ausgründungen aus Universitäten müssen fallen. Der Transfer von Wissen in die Wirtschaft muss zum Kernauftrag der Hochschulen werden.
- Fachkräfte gewinnen: Die Verfahren für den Zugang zum Arbeitsmarkt für ausländische Fachkräfte sind zu kompliziert und müssen beschleunigt und digitalisiert werden. Die Initiative schlägt vor, die Zuständigkeit für Integrationsmaßnahmen von dem Bund auf die Länder zu übertragen, da diese näher an der Lebensrealität der Menschen sind.
Was Deutschland gewinnen kann: Ein Ausblick
len wir uns vor, diese Reformen werden konsequent umgesetzt. Das Ergebnis wäre ein Deutschland, das sein volles Potenzial entfaltet:
- Für Bürgerinnen und Bürger: Ein Staat, der dient, statt zu gängeln. Behördengänge werden digital und unkompliziert. Anträge auf Sozialleistungen werden über eine zentrale Plattform („One-Stop-Shop“) abgewickelt. Das Vertrauen in die Demokratie wächst, weil der Staat seine Kernaufgaben – von der inneren Sicherheit bis zur sozialen Absicherung – verlässlich erfüllt.
- Für Unternehmen: Ein Wirtschaftsstandort, an dem Investitionen wieder Spaß machen. Genehmigungen für neue Fabriken oder Windräder dauern Monate, nicht Jahre. Bürokratiekosten sinken, Innovationen aus Universitäten finden schnell den Weg in den Markt, und der Fachkräftemangel wird aktiv bekämpft.
- Für die Gesellschaft: Ein Gemeinwesen, das den großen Zukunftsaufgaben gewachsen ist. Durch effizientere Strukturen werden Milliarden frei, die wir für Bildung, Klimaschutz und eine moderne Infrastruktur dringend benötigen. Der Staat begegnet seinen Bürgern mit einem Vertrauensvorschuss, was den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärkt.
Unser Appell: Geben wir der Umsetzung eine Chance!
Die Initiative hat ihre Arbeit getan. Die neue Regierung hat den Willen zur Reform in ihrem Koalitionsvertrag verankert. Nun beginnt die schwierigste Phase: die Umsetzung. Wir alle kennen die typischen Reflexe: Jede Veränderung wird sofort kritisiert, Bedenken werden zerredet, und Partikularinteressen blockieren das große Ganze.
Diesmal dürfen wir diesen Fehler nicht wiederholen.
Die vorgeschlagenen Reformen sind keine technokratischen Planspiele, sondern die notwendige Wartung für den „Maschinenraum des Staates“. Sie sind die Gelingensbedingung für Wohlstand, Sicherheit und sozialen Frieden.
Deshalb appellieren wir an die politisch Verantwortlichen in Bund und Ländern, aber auch an alle Akteure in Wirtschaft und Gesellschaft: Lassen Sie uns diesen Reformkompass nutzen. Tragen wir die Vorschläge mit einem konstruktiven Geist und dem Mut zur Veränderung. Es geht nicht darum, jedes Detail von vornherein zu zerreden, sondern darum, den Prozess der Erneuerung aktiv zu unterstützen.
Die vorliegenden Empfehlungen sind eine historische Chance. Es liegt an uns allen, sie zu nutzen. Packen wir es an!